Johanniskraut ist deutlich besser verträglich als echte Antidepressiva, dennoch ist es nicht komplett frei. Lies hier alles über Johanniskraut-Nebenwirkungen.
Das Echte Johanniskraut, Hypericum perforatum, ist eine hervorragende Alternative zu synthetischen Antidepressiva. Der pflanzliche Stimmungsaufheller hat- zumindest bei leichten bis mittelschweren Depressionen - eine vergleichbare Wirkung bzw. Wirksamkeit, hat aber deutlich weniger Nebenwirkungen.
Doch wenn auch seltener - ganz ohne Nebenwirkungen kommen auch Johanniskraut-Präparate nicht aus. In diesem Artikel erfährst Du, welche Nebenwirkungen bei der Einnahme von Johanniskraut auftreten können.
Johanniskraut und die Leber
Die Heilpflanze Johanniskraut ist bekannt dafür, dass es bei Menschen die Aktivität bestimmter Leber-Enzyme, z.B. Cytochrom-P450-Monooxygenasen (CYP450), beeinflusst. Das hat Wechselwirkungen mit vielen Medikamenten zur Folge, die ebenfalls über diese Enzyme der Leber abgebaut werden. Johanniskraut kann die Wirkung von Medikamenten verstärken oder auch abschwächen. Mehr Informationen hierzu im Artikel der Apotheke Adhoc (10).
Wie hoch ist das Risiko für eine Leberschädigung?
Doch ist Johanniskraut für die Leber schädlich?
Prof. Dr. Karen Nieber, Leipzig, schreibt hierzu (1):
Es wird immer wieder die Frage, ob Johanniskraut Leberschäden verursachen kann. Hierfür konnten in der Medizin bisher jedoch keine validen Belege vorgelegt werden. Bei einigen Johanniskrautpräparaten sei wohl der Hinweis auf Leberschädigung in die Fachinformation nicht aufgenommen wurde, bei anderen Präparaten wird die Möglichkeit von 1:10.000 nicht ausgeschlossen.
In der Literatur gibt es wenige Einzelfallbeispiele, bei denen eine Erhöhung der Leberenzyme als Indikator für eine Leberschädigung beschrieben wurde. Hierbei handelt es sich ausnahmslos um Patienten, die mehrere Präparate eingenommen haben. Somit kann eine Kausalität zum Johanniskraut-Extrakt nicht hergestellt werden kann (Acta Gastroenterol Belg 2008, 7:36). Andererseits gibt es aber auch in-vitro-Studien, die zeigen, dass die Flavonoide in Johanniskraut protektiv gegen eine Hepatotoxizität wirken (J Ethnopharmacol 2008, 116:1), somit für die Gesundheit der Leber eher förderlich seien.
Keine Leberschädigung zu erwarten bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
Insgesamt könne man, so sein Fazit, davon ausgehen, dass durch die Einnahme von Johanniskraut-Präparaten keine Leberschädigung zu erwarten sei - zumindest nicht bei bestimmungsmäßigem Gebrauch der Mittel, also wenn man sich an die die empfohlene Dosierung hält und die Maximaldosis nicht überschreitet.
Nebenwirkungen an der Haut
Johanniskraut-Trockenextrakt ist bekannt dafür, die Lichtempfindlichkeit für Haut und Augen zu erhöhen. In der Realität scheint dies jedoch nicht so stark ausgeprägt sein wie allgemein angenommen. Schon gar nicht müsse die Therapie mit Johanniskraut deswegen im Sommer unterbrochen werden (2).
Erhöhte Sonnenbrandgefahr konnte nicht nachgewiesen werden
In einer Probanden-Studie hat man die Sonnenbrandgefahr untersucht, die sich nach 14-tägiger Einnahme von Laif 900, einem bekannten Johanniskraut-Präparat, ergibt. Dabei hat man wohl keine signifikante Steigerung der Lichtempfindlichkeit bzw. Sonnenbrand-Gefahr feststellen können (3).
Daher mein Rat: einfach die persönliche Toleranzgrenze austesten und gerade zu Beginn der Therapie oder zu Sommeranfang, wenn man noch nicht abschätzen kann, ob und wie die individuelle Toleranzgrenze gegenüber Sonnenlicht evtl. verschoben ist, etwas vorsichtiger sein. Sonnenmilch ist ja ein zuverlässiger Sonnenschutz und hilft auch hier, Sonnenbrand zu vermeiden.
Hautausschlag
Falls es durch die Einnahme von Johanniskraut zu Hautausschlag kommt, kann möglicherweise eine allergische Reaktion dahinterstecken. Denkbar ist aber ebenso eine Überreaktion der Haut in Verbindung mit der erhöhten Lichtempfindlichkeit.
Andererseits kann ein Johanniskrautöl, äußerlich angewendet, bei Hautreizungen oder Juckreiz, z.B. im Rahmen einer Neurodermitis oder Schuppenflechte, Linderung verschaffen. Hierzu tüpfel' Johanniskraut auf die betroffene Stelle und reibe das Öl ein (6).
Gefahr für die Augen durch die Sonne?
Die durch Johanniskraut erhöhte Lichtempfindlichkeit bei Sonneneinstrahlung betrifft nicht nur die Haut (Sonnenbrand), sondern auch das Auge. Dies kann sich in tränenden Augen, Rötungen und Reizungen äußern.
Augenprobleme hingen mit Johanniskraut zusammen
Hier ein Bericht eines Anwenders (4):
"Ich habe im Laufe der Jahre mehrere verschriebene Antidepressiva eingenommen. Aber ich nahm gerade keine ein, als mir mal eine Tasse Johanniskrauttee angeboten wurde. Der Tee hat meine Stimmung erstaunlich gut verbessert. So begann ich damit, den Tee regelmäßig zu trinken, und ging schließlich zur Einnahme von Johanniskraut-Tabletten über.
Innerhalb von sechs Monaten begannen meine Augenprobleme und sie wurden immer stärker - Lichtempfindlichkeit, unscharfes Sehen, tränende Augen und extreme Trockenheit in der Nacht. Die Probleme wurden immer schlimmer. Ich kam jedoch nicht darauf, dass das alles mit dem Johanniskraut zusammenhing.
Bei meinen Internet-Recherchen fand ich jedoch heraus, dass Johanniskraut mit Sehschäden in Verbindung gebracht wird. Daraufhin habe die Einnahme von Johanniskraut sofort eingestellt.
Zu meiner Erleichterung erholen sich meine Augen langsam wieder. Ich möchte jedoch andere vor dieser gefährlichen Nebenwirkung des Johanniskrauts warnen."
Hypericin für potentielle Schädigung der Netzhaut verantwortlich
Einer der Wirkstoffe im Johanniskraut (Hypericum perforatum) ist Hypericin. Diese Substanz kann sowohl die Linse als auch die Netzhaut schädigen, wenn das Auge dem Licht ausgesetzt wird, wie eine Studie im Photochemistry and Photobiology, Nov-Dez, 2012, herausgefunden hat (5). Selbst das Tragen einer Sonnenbrille bietet keinen vollständigen Schutz.
Auch eine Studie, die in der Free Radical Biology & Medicine, July, 2013, veröffentlicht wurde, bestätigt, dass der Wirkstoff Hypericin ein Protein in der Augenlinse schädigen kann, wenn diese dem Licht ausgesetzt ist (6).
Meiner Meinung nach sollte man diese Nebenwirkung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Ich sehe diese viel eher kritisch als die Lichtempfindlichkeit bezogen auf die Haut.
Johanniskraut, die Pille und die Periode
Eine der möglichen Nebenwirkungen, genauer gesagt handelt es sich hier um eine Wechselwirkung, ist der Effekt von Johanniskraut auf die Wirkung der Pille.
Tatsächlich kann durch die zur Pille zusätzliche Einnahme das Risiko von Zwischenblutungen erhöhen. Das fand eine Studie heraus, die von Prof. Dr. Stephen D. Hall (Indianapolis) im Auftrag der FDA, der amerikanischen Arzneimittelbehörde, durchgeführt wurde (8).
Erhöhtes Risiko für Zwischenblutungen bei gleichbleibender Schutzwirkung
Andere Studien fanden zwar eine geringfügige Abnahme der Bioverfügbarkeit der in einer Pille vorhandenen Hormone, jedoch keine verminderten Schutz vor Empfängnis.
Da es jedoch so viele unterschiedliche Arzneimittel zur Empfängnisverhütung gibt, empfehle ich Dir, die Einnahme von Johanniskraut unbedingt mit Deinem behandelnden Frauenarzt abzusprechen.
Johanniskraut und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Johanniskraut kann indirekt den Blutdruck erhöhen. Auch eine Erhöhung von herzrelevanten Blutwerten wie Cholesterin scheint nur indirekt gegeben zu sein. Nämlich indem die Wirkung von Medikamenten, welche Patienten gegen diese Beschwerden wie Blutdruck, hoher Cholesterin, etc. einnehmen, abgeschwächt werden.
Da sind wir wieder bei den potentiellen Wechselwirkungen bzw. Interaktionen von Johanniskraut mit Arzneimitteln. Auch Blutverdünner sind hiervon betroffen. Da eine zu schwache Wirkung von Blutverdünnern sogar tödliche Folgen haben kann, ist es ganz besonders kritisch, hierauf zu achten.
Deswegen ist es wichtig, die Einnahme von Johanniskraut immer mit dem Arzt abzusprechen, wenn Du regelmäßig andere Medikamente einnimmst. Manchmal reicht es dann schon aus, die Dosis der anderen Medikamente anzupassen.
Johanniskraut und Gewichtszunahme
Viele Betroffene machen die Erfahrung, dass sie durch eine Therapie mit Antidepressiva massiv an Gewicht zulegen und suchen deswegen auch eine Alternative zu synthetischen Antidepressiva. Da stellt sich natürlich die Frage, ob auch Johanniskraut-Präparate als Nebenwirkung zur Gewichtszunahme führen können.
Laut Dr. Gumpert sei dies - zumindest theoretisch - möglich (9). Es sei jedoch schwierig zu unterscheiden, ob eine Gewichtszunahme bei Patienten unter der Einnahme von Johanniskraut tatsächlich durch das Johanniskraut begründet sei. Denn alleine die Depression ist schon ein Risikofaktor für eine Gewichtszunahme.
Meine Meinung
Nicht verwunderlich, dass auch keine Studien zu diesem Thema vorhanden sind. Denn der Sachverhalt ist komplex und da die Gewichtszunahme meist in einem längeren Zeitraum erfolgt, wären hierzu sehr lange Studien notwendig. Wer sollte die schon finanzieren?
Ich persönlich schätze die Gefahr einer Gewichtszunahme durch Johanniskraut im Vergleich zu Antidepressiva oder anderen Psychopharmaka generell deutlich niedriger ein - alleine schon, weil auch andere Nebenwirkungen von Johanniskraut seltener und geringer ausgeprägt sind als die Nebenwirkungen von Antidepressiva.
Fazit: Weniger Nebenwirkungen als Antidepressiva
Johanniskraut, eine Pflanze aus der Familie der Hypericaceae, ist ein wirksames Heilkraut, um das Stimmungstief bei leichten depressiven Verstimmungen bis mittelschweren Depressionen zu überwinden. Auch bei Unruhe, nervösen Beschwerden und Angstzuständen ist eine Behandlung mit Johanniskraut-Extrakten einen Versuch wert.
Während die Wirkungsweise von Johanniskraut dem Wirkprinzip von modernen Antidepressiva ähnelt, sind die Nebenwirkungen von Johanniskraut seltener und geringer ausgeprägt, z.B. leichte Magen-Darm-Beschwerden, als bei synthetischen Antidepressiva.
Tatsächlich sind es auch eher die Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die das eigentliche Problem bei Johanniskraut darstellen. Viele eigentliche Nebenwirkungen fallen in der Praxis meist geringer aus, als es sich zunächst anhört. Nur die Gefahr für das Auge durch eine erhöhte Lichtempfindlichkeit würde ich persönlich nicht auf die leichte Schulter nehmen.
Natürlich bist Du auch immer gut beraten, die Einnahme jeglicher Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzlicher Arzneimittel wie Johanniskraut mit Deinem Arzt oder Deiner Ärztin abzusprechen. Falls Du regelmäßig Medikamente einnimmst, halte ich das sogar für ein Muss.
- https://link.springer.com/article/10.1007/s11298-012-5071-8
- https://media.bayer.de/baynews/baynews.nsf/id/Hochdosiertes-Johanniskraut-Studie-zeigt-keine-signifikant-gesteigerte-Lichtempfindlichkeit-Haut
- https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-282006/phototoxisches-potenzial-wird-ueberschaetzt/
- https://www.peoplespharmacy.com/articles/st-johns-wort-can-lift-mood-but-may-damage-eyes
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22582903/
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23453985
- https://utopia.de/ratgeber/johanniskrautoel-wirkung-anwendung-und-rezept-zum-selbermachen/
- https://kfn-ev.de/meldungen/2009-1/276-johanniskraut-und-pille-wirklich-ein-problem
- https://www.dr-gumpert.de/html/johanniskraut_nebenwirkung.html
- https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/markt/johanniskraut-besser-aus-der-apotheke-stiftung-warentest-zieht-bilanz/2/