Agoraphobie kann Betroffenen das Leben zur Hölle machen. Ich weiß, wovon ich spreche, denn auch ich war betroffen.
Alle scheinbar ausweglosen Situationen sind der Anlass für Angstzustände – das kann der Supermarkt um die Ecke sein, eine Fahrt mit dem Auto oder ein Besuch im Kino. Diese psychische Krankheit macht sich häufig durch eine Panikattacke bemerkbar, obwohl Agoraphobie ohne Panikstörung ebenfalls vorkommt. Informiere Dich hier umfassend über Agoraphobie!
Was ist Agoraphobie genau?
Die Definition der Agoraphobie lautet nach Stangls Lexikon für Psychologie und Pädagogik (1) die Angst vor Menschenmengen und öffentlichen Plätzen. Das zentrale Gefühl dabei sei, in eine Falle zu geraten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gibt in ihrer international anerkannten Klassifikation von Krankheiten ICD 10 der Agoraphobie die Nummer F 40.0 (2).
Demnach handelt es sich dabei um eine Gruppe von Störungen, bei denen eindeutig definierte, eigentlich ungefährliche Situationen Angst hervorrufen. Häufig seien Depressionen sowie zusätzliche Angststörungen verbunden mit einer Agoraphobie. ICD-10 gibt Agoraphobie deshalb zwei Nummern:
- F 40.00: Agoraphobie ohne Panikstörung
- F 40.01: Agoraphobie mit Panikstörung
Sogenannte Agoraphobiker vermeiden meist alle Situationen, die ihre Angst bzw. ihre Phobie auslösen könnten. Das damit verbundene Meidungsverhalten kann im Extremfall bis zur völligen Isolierung führen. Um keine Angstgefühle zu spüren, verbringen Betroffene die allermeiste Zeit in den eigenen vier Wänden.
Unterschied zwischen Agoraphobie - Klaustrophobie
Bei der offiziellen Übersetzung ins Deutsche kann Agoraphobie Verwirrung auslösen. Für Fachleute heißt Agoraphobie auf Deutsch Platzangst. In der Umgangssprache bedeutet Platzangst in der Regel jedoch Klaustrophobie. Darunter versteht man die krankhafte Angst vor dem Aufenthalt in geschlossenen Räumen, zum Beispiel in Fahrstühlen. Klaustrophobie setzt sich nach Ansicht von Experten aus der Angst vor Erstickung und der Angst vor Beengtheit zusammen.
Der deutsche Fachausdruck für Klaustrophobie lautet jedoch Raumangst (4). Diese Diskrepanz wird verständlich, wenn Du Dir die griechischen Wörter anschaust. Was bedeutet Agoraphobie übersetzt? Agora kann tatsächlich mit Platz übersetzt werden. Allerdings war damit der Marktplatz der Antike gemeint, der in jeder Gemeinde der Mittelpunkt des sozialen Lebens war.
Symptome: so äußert sich die Agoraphobie
Was ist eine Agoraphobie? Die Antwort auf diese Frage hilft Betroffenen wenig. Die Symptome zu kennen, ist der erste Schritt auf dem Weg zu einer erfolgreichen Therapie der Agoraphobie. Menschen mit Agoraphobie haben Angst vor weiten Plätzen, auf denen sie hilflos sein könnten. Allerdings kann sich die Angst der Agoraphobie auch in engen Räumen zeigen.
Keine Möglichkeit zur Flucht
Doch der begrenzte Raum spielt im Grunde keine Rolle. Wichtig ist, dass Agoraphobiker in einem Notfall nicht fliehen können oder keine Möglichkeit haben, Hilfe zu erhalten. Dafür ist es unwichtig, ob sein ein Platz drinnen oder draußen befindet. Betroffene suchen in jedem öffentlichen Raum zuerst nach einer Fluchtmöglichkeit und halten sich immer in der Nähe des nächsten Ausgangs auf.
Unabhängig davon, ob es sich um eine Agoraphobie mit oder ohne Panikstörung handelt: Das Alarmsystem im Gehirn von Betroffenen nutzt jede Möglichkeit, Hinweise aller Art als Anzeichen für Katastrophen zu sehen (6). Betroffene versuchen, alle Situationen zu vermeiden, in denen die Angst auftreten könnte. Deshalb gilt die Angst vor der Angst als typisches Symptom der Agoraphobie.
Agoraphobie ohne Panikstörung
Manche Menschen schaffen es, ihre Agoraphobie perfekt zu bedienen. Sie sind in der Lage, die meisten Angst auslösenden Situationen zu vermeiden. Sie kennen die Angst vor der Angst so gut, dass sie nie eine Panikattacke erleben. Das ist allerdings eher selten. Häufig macht sich Agoraphobie durch eine Panikattacke zum ersten Mal bemerkbar.
Agoraphobie mit Panikstörung
Experten schätzen, dass in Deutschland rund fünf Prozent aller Menschen an einer Panikstörung mit Agoraphobie erkranken (7). Eine reine Panikstörung betrifft nur rund drei Prozent. Frauen erkranken wesentlich häufiger an Angsterkrankungen als Männer. Die Symptome der Agoraphobie mit Panikstörung sind vielfältig. Sie reichen wie bei einer normalen Panikattacke von Hyperventilation (8) und Herzrasen bis zu Atemnot, Zittern und Schweißausbrüchen (9).
Oft begleiten andere Erkrankungen eine Agoraphobie. Depressive Menschen leiden häufig zusätzlich an Angststörungen. Auch Alkoholismus und anderes Suchtverhalten tritt oft gemeinsam mit einer Panikstörung auf (10).
Langwierige Diagnose
Die Diagnose einer Agoraphobie ist oft langwierig. In Deutschland dauert es im Durchschnitt sieben Jahre, bis Angststörungen ordentlich diagnostiziert werden. Der Grund liegt darin, dass sich eine Agoraphobie häufig zunächst in körperlichen Symptomen äußert. Kranke meinen beispielsweise, dass eine Kreislauferkrankung das Zittern oder eine Herzkrankheit das Herzrasen verursacht.
Agoraphobiker leiden stark unter ihren Ängsten. Oft ist ihnen bewusst, dass kein rationaler Grund für die Furcht vorhanden ist. Doch dieses Wissen führt nicht dazu, dass sie Agoraphobie überwinden können.
Mache den Selbst-Test: Leidest Du unter Agoraphobie?
Weil die Diagnose durch einen Arzt so schwierig ist, hilft folgender Selbsttest für Agoraphobie. Er dient nicht zur genauen Bestimmung einer Angststörung. Aber er kann Hinweise geben, ob Du eventuell unter einer Agoraphobie leidest.
Hier sind die Fragen:
Leidest Du unter Agoraphobie? Mache den Test ...
1. Löst der Gedanke an öffentliche Veranstaltungen und Plätze Angstgefühle bei Dir aus?
2. Meidest Du generell Menschenmengen und stehst ungern Schlange?
3. Fühlst Du Dich am wohlsten in Deinem Zuhause?
4. Verreist Du ungern und scheust öffentliche Verkehrsmittel?
5. Hast Du in öffentlichen Räumen schon einmal folgende Symptome erlebt, ohne den Grund dafür zu erkennen?
- Herzstolpern, Herzrasen und Herzklopfen
- Atemnot oder Schwierigkeiten, Luft zu holen
- Übelkeit, Brechreiz und Durchfall
- Schweißausbrüche, Schwindel und Benommenheitsgefühle
- Angst, ohnmächtig zu werden oder die Kontrolle zu verlieren
6. Vergrößert sich die Zahl der Situationen, die Du vermeidest?
7. Hast Du ständig Angst, Dich zu blamieren oder unangemessen zu verhalten?
8. Denkst Du, dass Dich Angst im Alltag stark einschränkt?
Je mehr Fragen Du mit Ja beantwortest, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, an Agoraphobie zu leiden. Falls Deine Antwort auf vier oder mehr Fragen Ja lautet, empfehle ich Dir, einen Facharzt aufzusuchen. Du kannst ihn ruhig darauf ansprechen, dass Du unter einer Agoraphobie mit Panikstörung, ICD-10 F 40.0, leiden könntest.
Mögliche Ursachen der Agoraphobie
Die Ursachen der Agoraphobie sind vielschichtig und geben Wissenschaftlern nach wie vor Rätsel auf. Studien (11) (12) mit Zwillingen belegen, dass Vererbung, also genetische Veranlagung, die Entstehung einer Angststörung fördert. Außerdem scheinen zahlreiche Neurotransmitter, Botenstoffe im Gehirn, bei Angststörungen beteiligt zu sein (13), unter anderem Serotonin, GABA und Glutamat. Interessanterweise sind die Neurotransmitter sowohl hemmend als auch anregend.
Amygdala: Von hier geht alles aus
Eine Schlüsselrolle scheint GABA zu spielen (14). Dieser Botenstoff ist besonders in der Amygdala aktiv, den Mandelkernen. Sie feuern bei Panikattacken, oft ohne erkennbaren Grund. Die beiden Amygdala setzen bei Angst einen komplexen Prozess in Gang, der das gesamte Gehirn und anschließend den gesamten Körper beschäftigt.
Alle Gehirnfunktionen basieren neben Sinneswahrnehmungen auf Erfahrungen. Deshalb begünstigen traumatische Erlebnisse die Entstehung einer Panikstörung und Agoraphobie (15). Außerdem neigen manche Menschen einfach mehr zu Angst. Menschen, die untereiner Agoraphobie mit Panikstörung leiden, haben normalerweise eine ausgesprochen hohe Angstsensitivität (16) (17), so der Fachausdruck.
Organische Ursachen
Auch organische Ursachen können zu einer Agoraphobie beitragen, zum Beispiel Probleme mit dem Gleichgewichtssinn (18). Außerdem haben Wissenschaftler festgestellt, dass auch Veränderungen im orbitofrontalen Kortex zu den Ursachen der Agoraphobie mit Panikstörung zählen (19). Bei Betroffenen wurde festgestellt, dass sich weniger graue Substanz als üblich in diesem Bereich des Gehirns befindet. Der orbifrontale Kortex ist für das Verarbeiten erlernter Gefühle zuständig.
Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Apparats stehen mit Angststörungen in Verbindung. Menschen mit Panikattacken leiden häufig zunehmend unter Herzkrankheiten. Allerdings ist unklar, ob Panikattacken die Erkrankungen am Herzen verschlimmern oder ob Herzerkrankungen Angststörungen nach sich ziehen (20).
Auslöser Panikattacke
Auslöser für die Agoraphobie ist oft eine Panikattacke. Der Ort der Panikattacke bestimmt häufig, in welche Richtung sich eine Angststörung entwickelt. Findet sie in den eigenen vier Wänden statt, haben Betroffene im Anschluss daran häufig mit der Angst vor dem Tod zu kämpfen. Ereignet sich eine Panikattacke jedoch an einem öffentlichen Platz, ist eine Agoraphobie wahrscheinlich (21).
Sobald die erste Panikattacke an einem öffentlichen Platz eingetreten ist, gehen Agoraphobiker Quellen ihrer Angst so gut es geht aus dem Weg. Interessanterweise hat der Schweregrad einer Agoraphobie offensichtlich wenig damit zu tun, Orte möglicher Angstattacken zu meiden. Auch Kranke mit einer leichten Form von Agoraphobie zeichnen sich durch Vermeidungsverhalten aus (22).
Therapie der Agoraphobie: diese Behandlungen gibt es
Agoraphobie ist ebenso heilbar wie Panikattacken und andere Angststörungen. Du leidest unter übermäßiger Angst? Du bist Dir aber nicht sicher, ob Du eine Angststörung wie Agoraphobie behandeln lassen sollst? Im Zweifelsfall plädiere ich immer dafür, Panikattacken und Agoraphobie heilen zu wollen.
Niemand von uns lebt alleine in seiner Welt. Ehepartner, Kinder und andere Angehörige leiden oft ebenso stark unter einer psychischen Krankheit wie die Betroffenen selbst. Auch in Deinem eigenen Interesse solltest Du alles dafür tun, Deine Ängste zu überwinden – frei nach dem Motto: Was uns nicht umbringt, macht uns stark.
Medikamente lindern Symptome
Medikamente können die Symptome von Agoraphobie lindern. Benzodiazepine wirken schnell (23). Allerdings können Benzodiazepine ebenso rasch in die Abhängigkeit führen (24). Serotonin-Wiederaufnahmehemmer scheinen eine Alternative zu sein (25). Allerdings haben auch diese Antidepressiva ernstzunehmende Nebenwirkungen wie Sexualstörungen, Gewichtszunahme und Schlafstörungen (26).
Mir persönlich hat CBD-Öl bei Panikattacken hervorragend geholfen (27). Cannabidiole wirken den Folgen von Angstzuständen im gesamten Körper entgegen (28) (29). Das Endocannabinoid-System ist ein komplexes Netzwerk, das zahlreiche Funktionen im Gehirn und in den Organen regelt (30). Im Gegensatz zu Antidepressiva wirkt CBD also umfassender im menschlichen Organismus.
Psychotherapie verändert Verhalten
Psychotherapie ist die Behandlung der Agoraphobie, die sich mit den Ursachen und dem Verhalten beschäftigt. Kognitive Verhaltenstherapie hat gute Erfolgsaussichten (31). Dabei setzen sich Kranke intensiv mit ihren Ängsten auseinander. Zu der Therapie gehört die sogenannte Exposition (32), auch Konfrontationstherapie genannt. Mit der Begleitung des Therapeuten begeben sich Agoraphobiker gezielt in Situationen, in denen normalerweise Panikattacken auftreten. So können sie erleben, dass die Angst vor der Angst schlimmer ist als die eigentlichen Symptome der Angst.
Für eine erfolgreiche Therapie ist jedoch das Können des Psychotherapeuten ausschlaggebend. Du hast nach einem Jahr Behandlung das Gefühl, sie fruchtet nicht? In diesem Fall empfiehlt es sich, einen anderen Therapeuten zu suchen.
Angst bewältigen: Selbsthilfe bei Panik und Agoraphobie
Agoraphobie selbst heilen: Das empfehle ich generell nicht, weil psychische Krankheiten ein hohes Maß an Selbstreflexion erfordern. Ein erfahrener Therapeut kann die Psyche von Patienten viel besser durchblicken, als Du selbst dazu in der Lage wärst.
Jeder Betroffene kann jedoch selbst viel dafür tun, die Agoraphobie zu überwinden. Das beginnt damit, Ratgeber über Panikstörung und Agoraphobie zu helfen. Im Internet findest Du eine Fülle von Informationen, wenn Du Agoraphobie Wiki in die Suchmaschine eingibst. Ein wirksamer Bestandteil der Agoraphobie-Selbsthilfe können Atemübungen (33) sein, die entspannen und den häufigen Atemproblemen bei Panikattacken entgegenwirken.
Darüber hinaus hilft es, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Im Internet findest Du leicht ein Agoraphobie-Forum, auf dem Betroffene ihre Erfahrungen mit Panikattacken, Behandlungen, Ärzten und Psychotherapeuten vergleichen können. Ein unterhaltsamer Agoraphobie-Film aus dem Jahr 1992 hat den Titel „Agoraphobia – die Angst im Kopf“ (34).
Agoraphobie mit Angststörung: Rente möglich?
Im Prinzip ist es möglich, wegen einer Agoraphobie mit Panikattacken Rente zu beziehen (35). Um früher in Rente zu gehen, ist bei psychischen Krankheiten wie generalisierter Angststörung oder Agoraphobie mit Panikstörung GdB 50 nötig. GdB steht für Grad der Behinderung, der zwischen 20 und 100 variieren kann. GdB 50 bezeichnet gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX eine Schwerbehinderung.
Der GdB wird folgendermaßen beurteilt:
- GdB 0-20: Leichte psychische Störungen
- GdB 30-40: Stärker behindernde Störungen
- GdB 50-100: Schwere psychische Störungen
1998 formulierte der Ärztliche Sachverständigenbeirat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zwei Leitlinien für schwere psychische Störungen. Demnach muss die berufliche Tätigkeit ausgeschlossen oder zumindest stark beeinträchtigt sein. Außerdem müssen Kontaktverlust und sozialer Rückzug zu schweren Problemen in der Familie geführt haben. Erforderlich ist außerdem der Nachweis der ausgiebigen Behandlung der Panikstörung durch Psychotherapie, Medikamente und stationäre Behandlung.
In der Praxis ist es jedoch schwierig, frühzeitige Rentenansprüche tatsächlich durchzusetzen. Anträge auf frühzeitige Rente enden oft vor Gericht. Ein jahrelanger Rechtsstreit ist häufig die Folge, wobei die Aussicht auf Erfolg des Antragstellers nicht besonders günstig ist (36).
Ein persönlicher Tipp
Ich habe sehr gute Erfahrungen mit CBD-Öl gemacht. Es entspannt und beruhigt mich und hat mir sogar dabei geholfen, von meinen Antidepressiva loszukommen. Ich habe hierzu auch einen eigenen Erfahrungsbericht geschrieben, den Du hier nachlesen kannst.
Zusammenfassung: Agoraphobie ist heilbar
Agoraphobie kann den Lebensraum von Betroffenen stark beschneiden. Aus Angst vor gefährlichen Situationen wagen sich viele Kranke oft jahrelang kaum aus dem Haus. Wie alle Angststörungen, so ist auch Agoraphobie heilbar. Geeignete Psychopharmaka können die Symptome sofort lindern, haben aber oft unerwünschte Nebenwirkungen. CBD-Öl ist eine Alternative zu Antidepressiva und hat den Vorteil, nicht süchtig zu machen.
Dauerhaft führt nur eine Psychotherapie zum Erfolg, die Ursachen aufgreift und Dein Verhalten verändert. Agoraphobie Selbsthilfe kann die Behandlung der Angststörung unterstützen und beschleunigen. Wie sehr Du zurzeit auch unter Agoraphobie leidest: Heilung ist möglich. Dafür brauchst Du professionelle Hilfe und den Mut, Deine Ängste zu konfrontieren.
36 Quellen und Studien
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